Während die überwiegend naturwissenschaftlich orientierte Anthropologie allein den äußerlich fassbaren Menschen beschreibt, will Anthroposophie darüber hinaus den nur innerlich erlebbaren seelischen und geistigen Menschen und die diesem durch konsequente Bewusstseinsschulung wahrnehmbareseelische und geistige Welt rein empirisch erforschen – ohne metaphysische Spekulation und unabhängig von jeglicher religiösen Dogmatik oder herkömmlichen Mystik. In dieser geistigen Welt ist aber auch das Wesen der ganzen Welt begründet. Alle Wirkungen in der Welt gehen, wie Rudolf Steiner betont, letztlich von geistigen Wesenheiten aus, die in verschiedenen Bewusstseinszuständen leben. In ihrem Bewusstsein, zu dem sich der Mensch durch höhere Erkenntnis erheben kann, liegt der Ursprungsquell und die eigentliche Substanz, aus der die Wirklichkeit gewoben ist: „Also, die wirklichen Realitäten der Welt sind Wesen in den verschiedenen Bewußtseinszuständen.“ (GA 148, S. 306)
Die geistig vertiefte Selbsterkenntnis wird damit zugleich zur umfassenden Welterkenntnis, zur Kosmologie bzw. Kosmosophie im weitesten Sinn.
„Können wir auf uns selbst zurückschauend uns selbst erkennen, dann können wir auch im Kosmos beobachten. Und dann ergeben sich solche Beobachtungen, die uns eine wirkliche Kosmologie, eine Kosmosophie liefern, wie ich sie versucht habe zu geben in meinem Buche ‚Die Geheimwissenschaft‘.“ (GA 82, S. 171)
„Es wird im Kosmos überhaupt nichts betrachtet, ohne daß man gleichzeitig den Menschen darinnen hat. Es bekommt alles nur dadurch Sinn und zu gleicher Zeit Erkenntnisboden, daß man es in bezug auf den Menschen betrachtet. Nirgends wird der Mensch ausgeschlossen. Diese anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft führt unsere Weltbetrachtung wiederum zu einer Betrachtung des menschlichen Wesens zurück.“ (GA 338, S. 114)
Rudolf Steiner hat die von ihm methodisch entwickelte Anthroposophie auch sinngemäß als anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft oder kürzer als anthroposophische Geisteswissenschaft und ganz kurz schlicht als Geisteswissenschaft bezeichnet, um auf die von ihm angestrebte, auf konkrete geistige Erfahrung gegründete, exakte wissenschaftliche Erforschung des Geistigen hinzuweisen. Schon sein erkenntnistheoretisches Hauptwerk, die „Philosophie der Freiheit“ (GA 4), trägt den Untertitel: Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode.
Der heute weltweit vertretenen Anthroposophie entstammen fruchtbare Anregungen für vielfältigste Lebensbereiche, etwa für die Waldorfpädagogik und Heilpädagogik, die anthroposophisch erweiterte Medizin, die Heilmittel- und Kosmetikproduktion (Weleda, Wala), die biologisch-dynamische Landwirtschaft (Demeter), für praktisch alle Bereiche der Kunst (wie z.B. auch der Architektur), inklusive der neu aus der Anthroposophie hervorgegangenen Raumbewegungskunst Eurythmie, für die Dreigliederung des sozialen Lebens und das Finanzwesen (GLS Gemeinschaftsbank, Freie Gemeinschaftsbank), für die weitere Vertiefung der Goetheanistischen Naturwissenschaft und für die Christengemeinschaft als Bewegung für religiöse Erneuerung.
Quelle: https://anthrowiki.at/Anthroposophie
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